Philosophie Sek 2

philo

Quelle: www.wedoarts.de

Warum erscheinen uns optische Täuschungen reizvoll, wenn sie uns doch täuschen? Wenn ihr diese Frage ähnlich interessant findet wie Sinnestäuschungen selbst, könnte euch das Fach Philosophie interessieren. In Zeiten der Reizüberflutung erinnern sie an vernachlässigte Fähigkeiten: Staunen zu können, erste Eindrücke zu überdenken, bevor wir Vorurteile fällen, und scheinbare Selbstverständlichkeiten kritisch zu hinterfragen. Insbesondere das kritische Fragen ist eine Eigenart philosophischen Denkens.
Immanuel Kant teilte die Philosophie in vier übergreifende Fragen ein:

  1. Was kann ich wissen?
  2. Was soll ich tun?
  3. Was darf ich hoffen?
  4. Was ist der Mensch?

Die vierte Frage liegt den anderen zugrunde, weil sie bestimmt, was den Menschen zum Menschen macht. Dazu wird er mit Tieren einerseits und mit künstlicher Intelligenz andererseits verglichen. Wieviel Natur, wieviel Kultur steckt in uns? Ist der Mensch frei, hat er eine Seele oder ist er bloß sein Körper bzw. Gehirn? So schließen sich Fragen der Hoffnung (3.) an, in denen es auch um den Glauben an Gott und ein Leben nach dem Tod geht. Daneben wird in Fragen des Wissens (1.) diskutiert, wie Erkenntnis entsteht und wo sie an ihre Grenzen stößt. Konkrete Anwendung der Philosophie in der Lebenspraxis zeigt sich besonders in der Diskussion richtigen Handelns (2.), der Moral- und Staatsphilosophie: Lässt sich nachweisen, dass es Menschenrechte gibt? Wie ist ein gerechter Staat aufgebaut? Darf der Mensch angesichts seiner technischen Möglichkeiten alles, was er kann?

Im Vergleich zum Fach Praktische Philosophie geht es in der Oberstufe mehr darum, die Gedanken der Philosophen zu verstehen. Mögen Fragen in der Philosophie teilweise wichtiger sein als Antworten, die Positionen der Philosophen sind Antwortmöglichkeiten, die ihr kennen und für eure Antwort nutzen könnt. Philosophieunterricht soll keine elitäre Disziplin sein. Es geht um Fragen, die jeden Menschen betreffen. Ebenso wichtig wie das Nach-Denken der Autoren ist das Selbst-Denken: Ihr könnt etwas über euch lernen, nicht nur weil der Mensch Unterrichtsthema, sondern weil die Bildung der eigenen Meinung Lernziel ist.

Die Unterrichtsinhalte im Überblick

Das Fach Philosophie ist in der Oberstufe thematisch als Spirale konzipiert, so dass die Einführungsphase in jede der vier Fragen einen Einblick gewährt, der dann in der Qualifikationsphase vertieft wird.

  1. Was heißt es zu philosophieren? – Besonderheiten und Bedeutung philosophischen Denkens
    Was ist das Besondere an Fragen der Philosophie?
    Wie hat philosophisches Denken begonnen? – Unterscheidung von Mythos und Logos
    Was bedeutet Aufklärung? – Entstehung von und Umgang mit Vorurteilen
  2. Ist der Mensch ein besonderes Lebewesen? – Das Wesen von Mensch und Tier im Vergleich
    Vergleich von Mensch und Tier in Werkzeuggebrauch, Sprache/Kommunikation und Denken
  3. Eine Ethik für alle Kulturen? – Moralische Normen zwischen Beliebigkeit und Allgemeingültigkeit
    Warum überhaupt moralisch sein? Was antworten wir dem Egoisten?
    Diskussion moralischer Dilemmata
    Gibt es trotz verschiedener Kulturen eine allgemeingültige Ethik?
  4. Wieviel Staat brauchen wir? – Nutzen und Grenzen staatlicher Organisationsformen
    Wieviel Freiheit braucht ein Individuum? Anarchie, Diktatur und Rechtsstaat im Vergleich
    Die Frage des Widerstands – Was bedeutet ziviler Ungehorsam?
  5. Was können wir mit Gewissheit erkennen? – Grundlagen und Grenzen menschlicher Erkenntnis
    Der Naive Realismus und seine Erschütterung: Sinnestäuschungen, selektive Wahrnehmung
    Ist die Außenwelt vorhanden? Der radikale Konstruktivismus und seine Kritik
  6. Kann der Glaube an die Existenz Gottes vernünftig begründet werden? – Religiöse Vorstellungen zwischen Glauben und Wissen
    Ansätze von Gottesbeweisen
    Diskussion der Theodizee-Frage
  1. Ist der Mensch ein Kulturwesen? – Natur und Kultur als prägende Merkmale des Menschen
    Vergleich von Schöpfungsgeschichte und Evolutionstheorie (Darwin)
    Kultur als zweite Natur des Menschen (Gehlen), der Mensch als weltoffenes Wesen
    Braucht der Mensch gesellschaftliche Institutionen?
  2. Gibt es eine Seele? – der Glaube an die Seele in der Kritik der Naturwissenschaft
    Wie hängen Körper und Seele zusammen? (Descartes, d’ Holbach, Nagel)
    Nahtoderfahrungen als Beweis für die Existenz einer Seele?
    Wie unterscheiden sich menschliche und künstliche Intelligenz
  3. Wie frei ist der Mensch? – Selbstverständnis zwischen Ohnmacht und Selbstbestimmung
    Vollständig unfrei: Der Determinismus (Libet, Schopenhauer)
    Freiheit als Selbstbestimmung (Bieri, Kant)
    Nicht mehr Herr im eigenen Haus – Die menschliche Psyche nach Freud
    Das Verhältnis von Freiheit, Verantwortung und Strafe
  4. Wie kann ich glücklich werden? – Antike Ratschläge für ein gelungenes Leben
    Der Unterschied antiker und moderner Ethik
    Kann ich ohne Glück glücklich werden? – Eine Skala der Abhängigkeit von äußeren Gütern: Diogenes, Stoa, Epikur, die goldene Mitte nach Aristoteles
  5. Nach welchen Kriterien kann ich moralisch handeln? – Normative Theorien im Vergleich
    Gut ist, was nützlich ist: Utilitaristische Theorien auf dem Prüfstand
    Handeln aus Pflicht, Menschenwürde: Die Moralphilosophie Kants
  6. Welche Anforderungen stellt die zunehmende Technisierung an unsere Moralität? – Exemplarische Themen angewandter Ethik
    Sollte Klonen erlaubt sein?
    Medizinethische Fragen am Anfang und Ende des Lebens: Abtreibung, Sterbehilfe
    Verantwortung zur Nachhaltigkeit in den Problematiken der Weltarmut und des Klimawandels
  1. Wie lässt sich ein Sozialwesen gerecht aufbauen? – Klassische Theorien der Staatsphilosophie im Vergleich
    Philosophen an die Macht? – Auseinandersetzung mit Platons Idealstaat
    Vom Naturzustand zum Staat – Staatsgründung durch Gesellschaftsvertrag (Hobbes/ Locke)
  2. Wie ist ein gerechtes Zusammenleben in der Gesellschaft möglich? – Moderne Konzepte von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit auf dem Prüfstand
    Der Unterschied von Macht und Gewalt nach Arendt
    Die Demokratietheorie Schumpeters
    Gerechtigkeit als Fairness bei Rawls
    Die Anspruchstheorie der Gerechtigkeit nach Notzick
  3. Wie entsteht unsere Erkenntnis über die Welt? – Genese und Grenzen menschlicher Erkenntnis
    Gibt es ewige Wahrheiten? – Platons Ideenlehre
    Ist Vernunft die Quelle unserer Erkenntnis? – Descartesʼ Rationalismus
    Ist die Erfahrung die Quelle unserer Erkenntnis? – Lockes/ Humes Empirismus
    Additum: Die Wende der Erkenntnistheorie bei Kant
  4. Wie entwickelt und legitimiert die moderne Wissenschaft ihre Erkenntnisse? – Anspruch und Verfahrensweise der neuzeitlichen Naturwissenschaften
    Wissenschaft und Scheinwissenschaft
    Fortschritt durch Falsifikation (Popper)
    Additum: Fortschritt durch Paradigmenwechsel (Kuhn)

Folgende Lehrwerke dienen als Leitfaden:

Philo – NRW Einführungsphase, Unterrichtswerk für Philosophie in der Sekundarstufe II: hrsg. von B. Rolf und J. Peters, Bamberg 2014.

Philo – NRW Qualifikationsphase, Unterrichtswerk für Philosophie in der Sekundarstufe II: hrsg. von B. Rolf und J. Peters, Bamberg 2015.

Fachkonferenzvorsitzender: Raoul Scheppat

Stand: Januar 2017

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